Ausblick aus einem Zelt in den Bergen
BLACKROCK INVESTMENT INSTITUTE

Monatlicher Marktaus- und Rückblick

Von Tuan Huynh, Leiter Kapitalmarktstrategie Deutschland bei BlackRock, 28. Mai 2025

Selektiv bleiben, während der Handelskonflikt abkühlt

  • Die Herabstufung der US-Schulden durch Moody’s1 verdeutlicht wichtige Herausforderungen. Wir wägen langfristige Szenarien ab, gehen aber weiterhin davon aus, dass US-Vermögenswerte in globalen Portfolios eine zentrale Rolle spielen.
  • Wir gehen weiterhin davon aus, dass Zölle zu weiteren Einbußen der vierteljährlichen Wirtschaftsaktivität führen werden, die kumulativen Auswirkungen dürften jedoch geringer ausfallen. Wir sehen Chancen durch MegaForces.
  • Angesichts des weltweit steigenden Energiebedarfs passen viele Regierungen ihre Energiepolitik neu an und sorgen damit für Aufsehen an den Märkten – die Veränderungen sind jedoch regional unterschiedlich.

Die 90-tägige Senkung2 der US-chinesischen Zölle stellt eine deutliche Deeskalation im Handelskonflikt dar. Drei wichtige Erkenntnisse? Erstens: Es bestätigt, dass die von uns besprochenen strengen Wirtschaftsregeln die Politik prägen werden. Zweitens: Zölle werden wahrscheinlich zu weiteren angebotsbedingten Rückgängen der vierteljährlichen Wirtschaftsaktivität führen, die kumulativen Auswirkungen auf die Gesamtaktivität im Jahr 2025 könnten jedoch geringer ausfallen. Drittens: Das Abkommen gibt einen Hinweis darauf, wie sich der effektive Zollsatz in den USA einpendeln wird. Außerdem verdeutlicht das Abkommen eine harte Wirtschaftsregel: Lieferketten lassen sich nicht schnell und ohne Störungen neu vernetzen – und prägt damit die Politik. Dies spiegelt sich im expliziten Ziel der USA und Chinas wider, eine wirtschaftliche „Entkopplung“ zu vermeiden.

US-Aktien sind laut LSEG-Daten nach dem politikbedingten Ausverkauf in den USA seit ihren Tiefstständen im April um 22 % gestiegen3, nachdem sie im vergangenen Monat zusammen mit US-Anleihen und dem Dollar gefallen waren. Dieser gemeinsame Rückgang schürte die Spekulation, dass US-Vermögenswerte langfristig an Attraktivität verlieren. Die Herabstufung des Ratings durch Moody’s bestärkt unsere langjährige Ansicht, dass Anleger eine Erhöhung der derzeit relativ niedrigen Risikoprämie für langfristige US-Anleihen wünschen. Wir betrachten US-Vermögenswerte weiterhin als Kern unserer Portfolios. Die unsicheren Aussichten bedeuten, dass wir in unseren strategischen Einschätzungen nicht allein von einem zentralen Szenario überzeugt sein können.

Was ist unser Ausgangspunkt für unsere strategischen Ansichten? Wir glauben, dass es die aktuelle Struktur des globalen Kapitalmarkts sein muss – mit US-Vermögenswerten, die weiterhin den Kern der Portfolios bilden. Denn harte wirtschaftliche Regeln begrenzen die Geschwindigkeit, mit der sich die Struktur ändern kann. Die Herabstufung von Moody’s verstärkt die Herausforderungen der US-Finanzstabilität, die wir schon lange ankündigen, insbesondere die anhaltenden US-Haushaltsdefizite in einer Zeit, in der höhere Zinsen die Kosten für den Schuldendienst erhöhen. Sollten diese Dynamiken das Vertrauen ausländischer Anleihegläubiger beeinträchtigen, könnten steigende Laufzeitprämien die Anleiherenditen und die Kosten für den Schuldendienst noch weiter in die Höhe treiben.

Deshalb erwarten wir in unserem Ausgangspunkt auch steigende Laufzeitprämien für US-Staatsanleihen und anhaltenden Inflationsdruck. Wir gewichten inflationsindexierte Anleihen über und bewerten globale Investment-Grade-Anleihen angesichts größerer Spreads neutral. Wir setzen auf private Märkte und bevorzugen Infrastrukturaktien, wie z. B. Beteiligungen an Flughäfen und Rechenzentren, da diese von Megaforces profitieren. Private Märkte sind komplex und nicht für alle Anleger geeignet. Wir beobachten dieses Szenario laufend, da wir dazulernen möchten.

In Europa haben uns Infrastruktur- und Verteidigungsausgabenpläne dazu veranlasst, europäische Aktien auf neutral hochzustufen. Die Umsetzung dieser Pläne ist jedoch entscheidend – und die begrenzte Unterstützung des neuen deutschen Bundeskanzlers für die Koalition zeigt potenzielle Hindernisse auf. Der europäische Stoxx 600 hat sich seit der Zollankündigung vom 2. April weitgehend auf Augenhöhe mit dem S&P 500 entwickelt4, und die europäischen Gewinnschätzungen für 2025 sind von 8 % im Januar auf 3,5 % gefallen5. Dies verdeckt jedoch die Divergenz. Finanzwerte sind in diesem Jahr dank anhaltend hoher Zinsen und starker Unternehmens- und Haushaltsbilanzen um über 20 % gestiegen.6 Wir bevorzugen Spanien seit Anfang 2025 aufgrund des starken Wachstums und der Präsenz in den Bereichen Finanzen, Versorger und Infrastruktur – Sektoren, die von Megaforces profitieren. Spanische Aktien sind zudem weniger von US-Zöllen betroffen: Nur 5 % der spanischen Exporte gehen in die USA, weniger als im EU-Durchschnitt, wie Handelsdaten zeigen7. Japanische Aktien bieten einen weiteren Lichtblick: Aufgrund der laufenden Unternehmensreformen sind wir auf währungsunabhängiger Basis übergewichtet.

Strukturelle Veränderungen erfordern auch bei anderen Anlageklassen Selektivität. Gold bietet seit dem 2. April einen besseren Puffer gegen geopolitische Risiken als andere traditionelle sichere Anlagen. Der Goldpreis ist sprunghaft gestiegen, während langfristige US-Staatsanleihen und der US-Dollar – ungewöhnlicherweise – parallel zu Aktienkursen nachgegeben haben, wie Bloomberg-Daten zeigen8. Aufgrund neuer Vorschriften können US-Banken Gold in ihren Bilanzen bald als hochwertige Anlage behandeln. Das könnte die Nachfrage ankurbeln und Gold zu einer Kernposition machen.

Kurz zusammengefasst: Wir bleiben in US-Aktien mit einem taktischen Horizont von sechs bis zwölf Monaten übergewichtet. Dies ist auf die Stärke der US-Unternehmen und die Megaforces zurückzuführen – große strukturelle Veränderungen wie die Künstliche Intelligenz, die einen wirtschaftlichen Wandel vorantreiben, der mit der industriellen Revolution vergleichbar ist. Der steigende Energiebedarf veranlasst politische Entscheidungsträger, die Abwägung zwischen Energienachhaltigkeit, Bezahlbarkeit und Sicherheit zu überdenken. Wir sehen Chancen in den Bereichen Kernenergie, US-Erdgas und erneuerbare Energien (insbesondere Solarenergie und Batterien).

 


Quellen:
1 Bloomberg, 16.Mai 2025.
2 Bloomberg, 12.Mai 2025.
3 LSEG, 16. Mai 2025.
4 LSEG, 9.Mai 2025.
5 LSEG, 9.Mai 2025.
6 LSEG, 9.Mai 2025.
LSEG, 9.Mai 2025.
8 LSEG, 9.Mai 2025.

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