A photo of Larry Fink, BlackRock’s Chairman and CEO
Brief von Larry Fink an CEOs 2022:

Die transformative Kraft des Kapitalismus

A photo of Larry Fink, BlackRock’s Chairman and CEO

Sehr geehrte/r CEO

Zu Beginn eines jeden Jahres nehme ich mir Zeit für eine wichtige Aufgabe: Ihnen im Namen der Kunden von BlackRock, die Aktionäre Ihres Unternehmens sind, zu schreiben. Die meisten unserer Kunden legen ihr Geld an, um damit ihren Ruhestand zu finanzieren. Ihr Anlagehorizont kann sich über Jahrzehnte erstrecken.

Die finanzielle Sicherheit, die wir für unsere Kunden anstreben, entsteht nicht über Nacht. Dafür braucht es Zeit und deshalb verfolgen wir einen langfristigen Ansatz. Aus diesem Grund wende ich mich seit zehn Jahren regelmässig mit einem Schreiben an Sie, die CEOs und Verwaltungsratspräsidenten der Unternehmen, in die unsere Kunden investieren. Ich schreibe Ihnen als Treuhänder unserer Kunden, die uns ihr Vermögen zur Verwaltung anvertrauen. Dabei widme ich mich stets den Themen, die aus meiner Sicht von zentraler Bedeutung für langfristig beständige Erträge und somit Voraussetzung dafür sind, dass unsere Anleger ihre Ziele erreichen können.

Als meine Partner und ich vor 34 Jahren BlackRock als Start-up gründeten, wusste ich nicht, was es heisst, ein Unternehmen zu führen. In den vergangenen drei Jahrzehnten hatte ich Gelegenheit, mit vielen CEOs zu sprechen und so zu erfahren, was wirklich erfolgreiche Unternehmen ausmacht. Sie eint, dass sie ein klares Ziel vor Augen haben und konsistente Werte verfolgen. Zudem erkennen sie an, wie essenziell der ständige Dialog mit ihren wichtigsten Stakeholdern ist und dass sie ihnen gerecht werden müssen. Das ist das Fundament des Stakeholder-Kapitalismus.

Beim Stakeholder-Kapitalismus geht es nicht um Politik. Auch nicht um eine soziale oder ideologische Agenda. Er ist auch nicht «woke». Er ist Kapitalismus, angetrieben von Beziehungen von gegenseitigem Nutzen zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern, Kunden, Zulieferern und Gemeinschaften, ohne die Ihr Unternehmen nicht erfolgreich sein und gedeihen kann. Das ist die Kraft des Kapitalismus.

In unserer heutigen global vernetzten Welt muss ein Unternehmen für alle seine Stakeholder Werte schaffen und gleichzeitig deren Wertschätzung erhalten. Nur so kann es seinen Aktionären langfristig einen Wert bieten. Ein wirksamer Stakeholder-Kapitalismus ermöglicht eine optimale Kapitalverwendung, dauerhaft rentable Unternehmen sowie eine langfristige Schaffung von Werten und deren Erhalt. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass faires Streben nach Gewinn immer noch das ist, was Märkte antreibt. Und langfristige Rentabilität ist für Märkte schlussendlich der Gradmesser für den Erfolg Ihres Unternehmens.

Grundlage des Kapitalismus ist der Prozess der ständigen Neuerfindung – Unternehmen müssen sich immer weiterentwickeln und auf Veränderungen reagieren. Andernfalls drohen sie, von neuen Wettbewerbern verdrängt zu werden. Die Pandemie hat die Rahmenbedingungen für nahezu jedes Unternehmen rasant verändert. Sie verändert die Art und Weise, wie wir arbeiten und einkaufen. Sie lässt neue Unternehmen entstehen und richtet bestehende zugrunde. Vor allem aber hat sie die vom technologischen Fortschritt angestossenen Umwälzungen für unser Leben und die Geschäftswelt dramatisch beschleunigt. Innovative Unternehmen, die sich diese Rahmenbedingungen zunutze machen wollen, kommen heute leichter denn je an das nötige Kapital, um ihre Visionen zu verwirklichen. Und die Beziehungen zwischen einem Unternehmen, seinen Mitarbeitern und der Gesellschaft werden neu definiert.

Zugleich hat die Pandemie das Vertrauen in traditionelle Institutionen untergraben und die Polarisierung in vielen westlichen Gesellschaften verschärft. Diese Entwicklung stellt Sie als CEO vor neue Herausforderungen. Politische Aktivisten oder Medien können Dinge, die Ihr Unternehmen tut, zu einem Politikum machen. Sie können Ihre Marke für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. In einem solchen Umfeld sind die Fakten selbst häufig umstritten. Aber Unternehmen haben auch die Möglichkeit, hierbei eine Führungsrolle zu übernehmen. Beschäftigte sehen ihr Unternehmen zunehmend als die vertrauenswürdigste, kompetenteste und ethischste Informationsquelle an, der sie mehr vertrauen als Regierungen, Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Darum ist Ihre Stimme heute wichtiger denn je. Nie war es für CEOs von grösserer Relevanz, Position zu beziehen und einen klar definierten Unternehmenszweck, eine kohärente Geschäftsstrategie sowie eine langfristige Perspektive zu haben. Ihr Unternehmenszweck ist der Nordstern, der zentrale Fixpunkt, an dem Sie und Ihr Unternehmen sich in diesen turbulenten Zeiten orientieren können. Die Stakeholder, ohne die Ihr Unternehmen keine Gewinne für seine Aktionäre erwirtschaften kann, müssen von Ihnen direkt hören – um von Ihnen eingebunden und inspiriert zu werden. Natürlich wollen sie von uns als CEOs nicht zu jedem Tagesthema unsere Meinung hören. Aber sie müssen wissen, welchen Standpunkt wir mit Blick auf wichtige gesellschaftliche Fragen vertreten, die wesentlich für den langfristigen Erfolg unserer Unternehmen sind.

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Den Zweck Ihres Unternehmens zur Grundlage Ihrer Beziehungen mit Ihren Stakeholdern zu machen, ist die zentrale Voraussetzung für dauerhaften Erfolg.

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Den Zweck Ihres Unternehmens zur Grundlage Ihrer Beziehungen mit Ihren Stakeholdern zu machen, ist die zentrale Voraussetzung für dauerhaften Erfolg. Ihre Mitarbeiter müssen den Unternehmenszweck verstehen und sich damit identifizieren – dann können sie Ihre treuesten Unterstützer sein. Ihre Kunden wollen sehen und hören, wofür Sie stehen, denn sie bevorzugen immer eher Produkte und Dienstleistungen von Firmen, die ihre Werte teilen. Und schliesslich müssen Aktionäre das Leitprinzip verstehen, das Ihrer Vision und Mission zugrunde liegt. In schwierigen Zeiten werden sie Ihnen eher die Stange halten, wenn sie Ihre Geschäftsstrategie und Beweggründe nachvollziehen können.

Eine neue Arbeitswelt

Keine Beziehung wurde durch die Pandemie grundlegender verändert als die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. In den USA und Grossbritannien ist die Kündigungsrate auf einem neuen Höchststand. Zudem steigen die Löhne in den Vereinigten Staaten derzeit so rasant wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dass Arbeitnehmer neue Chancen ergreifen, ist gut, denn es zeigt, dass sie Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung haben.

Zwar sind nicht alle Länder und Branchen gleichermassen von Fluktuation und steigenden Löhnen betroffen. Aber rund um den Globus erwarten Beschäftigte heute mehr von ihren Arbeitgebern – darunter mehr Flexibilität und eine sinnstiftendere Tätigkeit. Während sich Unternehmen nach der Pandemie neu aufstellen, sehen sich ihre CEOs mit einem Paradigmenwechsel konfrontiert. Früher erwarteten Unternehmen von ihren Mitarbeitern, dass sie von Montag bis Freitag ins Büro kommen. Die psychische Gesundheit war kaum ein Thema, über das am Arbeitsplatz diskutiert wurde. Und die Löhne von Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen stiegen kaum.

Diese Welt ist Geschichte.

Dass Arbeitnehmer mehr von ihren Arbeitgebern erwarten, ist ein wesentliches Merkmal eines funktionierenden Kapitalismus. Es fördert den Wohlstand für alle und den Wettbewerb um Talente. Es treibt Unternehmen an, für ihre Beschäftigten ein besseres, innovativeres Arbeitsumfeld zu schaffen – und es hilft ihnen, höhere Gewinne für ihre Aktionäre zu erzielen. Unternehmen, denen dies gelingt, werden für ihre Mühe belohnt. So zeigen unsere Analysen, dass Firmen mit einer starken Mitarbeiterbindung während der Pandemie von geringerer Fluktuation und höherer Rentabilität profitiert haben.1

Unternehmen, die sich nicht an diese neue Realität anpassen und die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten nicht ernst nehmen, laufen Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Fluktuation treibt die Kosten in die Höhe und schmälert die Produktivität. Sie untergräbt die Unternehmenskultur und das Bewahren von Firmenwissen. CEOs müssen sich fragen, ob sie ein Betriebsumfeld schaffen, das im Wettbewerb um Talente hilfreich ist. Bei BlackRock tun wir genau das: Gemeinsam mit unseren Mitarbeitern arbeiten wir daran, die Herausforderungen dieser neuen Arbeitswelt zu meistern.

Ein solches Umfeld zu entwickeln, ist heute komplexer denn je und beinhaltet weit mehr als eine angemessene Vergütung und flexible Arbeitsmodelle. Die Pandemie hat nicht nur unser Verhältnis zu unserem Arbeitsplatz neu definiert. Sie rückt auch Themen wie ethnische Gleichstellung, Kinderbetreuung und psychische Gesundheit ins Bewusstsein und macht deutlich, welche unterschiedlichen Erwartungen junge und ältere Menschen an Arbeit haben. Diese Themen stehen nun im Mittelpunkt des Interesses von CEOs. Sie müssen darüber nachdenken, wie sie sich zu gesellschaftlichen Fragen äussern, die ihren Mitarbeitern wichtig sind. Diejenigen, die Bescheidenheit an den Tag legen und ihren Unternehmenszweck nicht aus den Augen verlieren, bauen mit grösserer Wahrscheinlichkeit eine Bindung auf, die ein Berufsleben überdauert.

Bei BlackRock wollen wir verstehen, wie sich dieser Trend auf Ihre Branche und Ihr Unternehmen auswirkt. Was tun Sie, um die Bindung zu Ihren Mitarbeitern zu stärken? Wie gewährleisten Sie, dass sich Ihre Beschäftigten unabhängig von ihrem Hintergrund in Ihrem Unternehmen sicher genug fühlen, um ihre Kreativität, Innovationsfähigkeit und Produktivität voll auszuschöpfen? Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Verwaltungsrat diese wichtigen Themen im Blick hat? Wo und wie wir arbeiten wird nie mehr so sein wie früher. Wie passt sich Ihre Firmenkultur an diese neue Arbeitswelt an?

Neue Kapitalquellen als Treiber der Disruption

In den vergangenen vier Jahrzehnten hat die Verfügbarkeit von Kapital explosionsartig zugenommen. Inzwischen summiert sich das weltweite Finanzvermögen auf 400 Billionen US-Dollar.2 Mit diesem exponentiellen Wachstum gehen Risiken und Chancen für Anleger und Unternehmen gleichermassen einher. Zudem sind Banken heute nicht mehr die einzigen Finanzierungsquellen.

Junge, innovative Unternehmen hatten es niemals leichter, sich Kapital zu beschaffen. Noch nie stand so viel Geld für neue Ideen bereit. Dies verleiht der Innovationsdynamik einen kräftigen Schub. Praktisch in jedem Sektor gibt es eine Fülle disruptiver Start-ups, die versuchen, die Marktführer vom Sockel zu stossen. CEOs etablierter Unternehmen müssen diese veränderten Rahmenbedingungen und die Vielfalt der Kapitalquellen verstehen, wenn sie gegenüber kleineren, flexibleren Branchenneulingen wettbewerbsfähig bleiben wollen.

BlackRock möchte, dass sich die Unternehmen, in die wir im Auftrag unserer Kunden investieren, weiterentwickeln und wachsen. Denn nur so können sie auch in den nächsten Jahrzehnten attraktive Renditen generieren. Als langfristig orientierter Anleger ist es unsere Aufgabe, mit Firmen aus allen Branchen zusammenzuarbeiten. Aber auch wir müssen agil sein und sicherstellen, dass wir das Vermögen unserer Kunden gemäss ihren Anlagezielen in die dynamischsten Unternehmen – ob Start-up oder etablierter Anbieter – mit den langfristig besten Erfolgschancen anlegen. Als Kapitalisten und als Treuhänder, denn das ist unsere Aufgabe.

Ich bin überzeugt, dass der Kapitalismus jedem Einzelnen zu einer besseren Zukunft verhelfen, Innovationen fördern, Volkswirtschaften widerstandsfähig machen und einige unserer schwierigsten Herausforderungen lösen kann. Die Kapitalmärkte haben es Unternehmen und Ländern ermöglicht, sich prächtig zu entwickeln. Aber der Zugang zu Kapital ist kein Recht. Er ist ein Privileg. Und Ihre Aufgabe ist es, dieses Kapital für Ihr Unternehmen zu gewinnen und es verantwortungsvoll sowie nachhaltig einzusetzen.

Kapitalismus und Nachhaltigkeit

Die meisten Stakeholder – ob Aktionäre, Mitarbeiter, Kunden, Gemeinschaften oder Regulierer – erwarten heute von Unternehmen, dass sie zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft beitragen. Kaum etwas wird mehr Einfluss auf die Kapitalallokation haben – und damit den langfristigen Wert Ihres Unternehmens – als die Frage, wie gut Sie die Herausforderungen der weltweiten Energiewende in den nächsten Jahren meistern werden.

Vor zwei Jahren schrieb ich in meinem Brief an Sie, dass das Klimarisiko auch ein Investmentrisiko ist. In dieser kurzen Zeitspanne ist es zu einer fundamentalen Umverteilung von Kapital gekommen.3 Nachhaltige Anlagen haben inzwischen die Schwelle von vier Billionen US-Dollar erreicht.4 Die Anstrengungen zur Dekarbonisierung wurden in diesen zwei Jahren intensiviert und die Ziele höhergesteckt. Das ist erst der Anfang. Die tektonische Kapitalverschiebung hin zu nachhaltigen Anlagen nimmt weiter an Fahrt auf. Ob es sich um Kapital für innovative Vorhaben im Energiesektor handelt oder um Vermögen, das aus traditionellen Indexprodukten in massgeschneiderte Portfolios und Produkte umgeschichtet wird: Immer mehr Geld wird in Bewegung kommen.

Der Wandel zu einer klimaneutralen Welt wird jedes Unternehmen und jede Branche fundamental verändern. Die Frage ist: Werden Sie diesen Wandel anführen - oder sich führen lassen?

In nur wenigen Jahren konnten wir beobachten, wie innovative Köpfe das Auto quasi neu erfunden haben. Inzwischen sind alle Autobauer auf den Zug in eine Zukunft aufgesprungen, die der E-Mobilität gehört. Dabei ist die Automobilindustrie nur die Speerspitze, denn neue, nachhaltige Technologien werden auch alle anderen Branchen von Grund auf verändern.

Ingenieure und Wissenschaftler arbeiten unermüdlich an Verfahren zur CO2-Reduktion in der Zement-, Stahl- und Kunststoffherstellung, der Logistik zu See, Land und in der Luft, der Landwirtschaft, der Energieerzeugung und im Baugewerbe. Ich bin überzeugt, dass mit der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft die grösste Anlagechance unserer Zeit einhergeht. Zugleich wird diese Entwicklung jene Unternehmen zurücklassen, die sich nicht anpassen, ganz gleich, in welcher Branche sie tätig sind. Und so wie manche Unternehmen Gefahr laufen, abgehängt zu werden, wird es auch ganzen Städten und Ländern ergehen, die sich nicht fit für die Zukunft machen. Sie riskieren Arbeitsplätze selbst in Zeiten zu verlieren, in denen andernorts die Beschäftigung kräftig wächst. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft wird überall dort zu einer Vielzahl neuer Arbeitsplätze führen, wo die notwendige langfristige Planung getroffen wurde.

Die nächsten 1.000 «Einhörner» werden weder Suchmaschinen noch Social-Media-Unternehmen sein, sondern nachhaltige, anpassungsfähige Innovatoren: Start-ups, die Lösungen für den Verzicht auf fossile Brennstoffe entwickeln und die Energiewende für alle erschwinglich machen. Wir müssen offen damit umgehen, dass grüne Produkte heute häufig mit höheren Kosten verbunden sind. Dieses sogenannte «Green Premium» zu senken, ist eine wesentliche Voraussetzung, damit ein geordneter und gerechter Übergang zur Klimaneutralität gelingt. Da Investoren mit Kapital in nie da gewesener Höhe auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten sind, müssen etablierte Unternehmen einen klaren Fahrplan für ihren erfolgreichen Weg hin zu einer Netto-Null-Wirtschaft haben. Aber nicht nur junge, innovative Unternehmen können und werden ganze Branchen auf den Kopf stellen, sondern auch herkömmliche Unternehmen mit dem Mut zur Veränderung. Tatsächlich verfügen viele etablierte internationale Firmen über einen Vorteil, wenn es um das für die bevorstehenden Umwälzungen benötigte Kapital, Marktwissen und technische Know-how geht.

Unsere Frage an diese Unternehmen lautet daher: Was tun Sie für bahnbrechende Neuerungen in Ihrem Geschäft? Wie bereiten Sie sich auf den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft vor und welchen Beitrag leisten Sie? Was bedeuten die grundlegenden Veränderungen, die die Energiewende für Ihre Branche mit sich bringt, für Ihr Unternehmen? Bedrohen sie seine Existenz, oder wird es wie Phönix aus der Asche neu entstehen?

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Wir haben Nachhaltigkeit ins Zentrum unseres Handelns gerückt. Nicht etwa, weil wir Umweltschützer, sondern weil wir Kapitalisten und Treuhänder unserer Kunden sind.

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Wir haben Nachhaltigkeit ins Zentrum unseres Handelns gerückt. Nicht etwa, weil wir Umweltschützer, sondern weil wir Kapitalisten und Treuhänder unserer Kunden sind. Dafür müssen wir verstehen, wie sich Unternehmen an die massiven Veränderungen anpassen, die sich in der Wirtschaft vollziehen. Und deshalb fordern wir Unternehmen unter anderem dazu auf, sich kurz-, mittel- und langfristige Ziele für die Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen zu setzen. Diese Ziele und die Qualität der darauf einzahlenden Strategien sind für die langfristigen wirtschaftlichen Interessen Ihrer Aktionäre von zentraler Bedeutung. Aus diesem Grund bitten wir Sie auch, Berichte gemäss den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) zu erstellen: Sie sind unseres Erachtens wichtige Instrumente, um beurteilen zu können, ob ein Unternehmen zukunftsfähig ist.

Der Übergang zur Klimaneutralität verläuft nicht überall gleich, sondern in verschiedenen Wirtschaftsbereichen und Ländern mit unterschiedlichem Tempo. Auch vollzieht er sich nicht über Nacht. Vielmehr werden wir von den CO2-intensiven Brennstoffen über weniger klimaschädliche zu klimaneutralen Technologien übergehen. Um etwa eine bezahlbare Energieversorgung während des Übergangs zu gewährleisten, werden in bestimmten Regionen fossile Brennstoffe wie Erdgas sowohl bei der Stromerzeugung und Wärmegewinnung als auch für die Wasserstoffherstellung weiter eine zentrale Rolle spielen.

Grosse Unterschiede wird es beim Tempo des Wandels zwischen den Entwicklungs- und den Industrieländern geben. Aber in allen Märkten werden beispiellose Investitionen in Technologien zur Dekarbonisierung erforderlich sein. Wir brauchen transformative Erfindungen, vergleichbar mit der der Glühbirne. Und wir müssen sie finanziell fördern, damit sie die Hürde zur Kommerzialisierung nehmen können und bezahlbar werden.

Diese ehrgeizigen Ziele benötigen Zeit. Zugleich müssen Regierungen und Unternehmen dafür sorgen, dass Menschen weiterhin Zugang zu einer verlässlichen und erschwinglichen Energieversorgung haben. Nur so gestalten wir eine grüne Wirtschaft, die niemanden zurücklässt und keinen sozialen Unfrieden stiftet. Und Pläne, die nur darauf abzielen, das Angebot an Energie aus fossilen Brennstoffen zu verringern, die Nachfrage aber ausser Acht lassen, werden die Energiepreise nach oben treiben. Treffen wird das vor allem jene, die es sich am wenigsten leisten können. Die Folgen wären eine noch stärkere Polarisierung beim Thema Klimawandel und ein Untergraben des Fortschritts.

Kapital aus ganzen Branchen abzuziehen oder die Finanzierung CO2-intensiver Anlagen einfach von den öffentlichen in die Privatmärkte zu verlagern, wird die Welt nicht zum Netto-Null-Ziel führen. BlackRock verfolgt nicht die Strategie, generell aus allen Öl- und Gasunternehmen auszusteigen. Einige unserer Kunden entscheiden sich ihre Gelder aus diesen Branchen abzuziehen, andere lehnen dies hingegen ab. In vielen CO2-intensiven Branchen gibt es vorausschauende Unternehmen, die ihr Geschäft transformieren und damit einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Wirtschaft leisten. Wir sind davon überzeugt, dass die Firmen, die den Wandel anführen, unseren Kunden enorme Anlagechancen bieten. Kapital in diese sich transformierenden Unternehmen – die Phönixe - zu lenken, wird wesentlich dazu beitragen, eine Welt zu schaffen, in der unter dem Strich keine Kohlenstoffe mehr emittiert werden.

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Der Kapitalismus ist eine gestalterische Kraft für die Gesellschaft und kann als Motor für Veränderung wirken.

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Der Kapitalismus ist eine gestalterische Kraft für die Gesellschaft und kann als Motor für Veränderung wirken. Aber den Wandel können Unternehmen nicht allein herbeiführen und sie können auch nicht die Klimapolizei sein. Das wäre für die Gesellschaft keine gute Entwicklung. Regierungen müssen den Weg weisen, und marktübergreifend eine einheitliche Taxonomie für Nachhaltigkeit, Regulierung und Offenlegung bereitstellen. Zudem müssen Regierungen Gemeinschaften unterstützen, die vom Übergang zur Klimaneutralität besonders betroffen sind. Ebenso müssen sie mithelfen, Kapital für Schwellenländer zu mobilisieren sowie Innovationen und Technologien fördern, die bei der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft eine zentrale Rolle spielen werden.

So war es die Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, die die Entwicklung von Corona-Impfstoffen in Rekordzeit erst ermöglicht hat. Wenn wir diese Kräfte bündeln, können wir Unglaubliches schaffen. Genau das müssen wir auch, wenn wir das Netto-Null-Ziel erreichen wollen.

Mehr Mitsprache für unsere Kunden bei Abstimmungen zu ESG

Beim Stakeholder-Kapitalismus geht es darum, langfristig beständige Renditen für die Aktionäre zu erwirtschaften. Transparenz zu den Plänen Ihres Unternehmens auf dem Weg in eine klimaneutrale Welt spielt dabei eine wesentliche Rolle. Sie liefert aber nur einen Teil der Informationen, deren Offenlegung wir und andere Anleger von Unternehmen fordern. Als Verwalter des Kapitals unserer Kunden erwarten wir von Unternehmen, dass sie ganzheitlich zeigen, wie sie der Verantwortung gegenüber ihren Aktionären gerecht werden. Und das nicht zuletzt durch solide Verfahren und Leitlinien in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, kurz ESG.

Im Jahr 2018 kündigte ich in meinem Brief die Verdopplung unseres Investment Stewardship Teams an, das weiterhin das grösste in der Fondsbranche ist. Dieses Team haben wir aufgebaut, um die Fortschritte Ihres Unternehmens über das gesamte Jahr hinweg beurteilen zu können – nicht nur dann, wenn Generalversammlungen anstehen. Es liegt an Ihnen, als CEO Ihren Kurs einzuschlagen und uns darüber zu berichten, wie Sie vorankommen. Uns ist es wichtig, alle Themen, die Sie beschäftigen, zu verstehen. Nicht nur jene, über die bei den Generalversammlungen abgestimmt wird. Dazu gehört auch Ihre langfristige Strategie.

So wie andere Stakeholder ihre Beziehung zu Unternehmen überdenken, stellen auch viele Aktionäre ihre Beziehung zu Unternehmen auf den Prüfstand. Wir sehen ein wachsendes Interesse von Aktionären – darunter auch unserer Kunden – an der Corporate Governance von börsennotierten Unternehmen.

Aus diesem Grund haben wir damit begonnen, mithilfe von Technologie mehr Kunden die Möglichkeit zu geben, unmittelbarer ihre eigenen Stimmrechte bei den Unternehmen ausüben zu können, in die sie ihr Geld investieren. Diese Möglichkeit bieten wir bereits bestimmten institutionellen Kunden an, zu denen Pensionskassen mit rund 60 Millionen Mitgliedern gehören. Wir arbeiten daran, dies zukünftig mehr Anlegern zugänglich zu machen.

Unser Ziel ist es, dass sich jeder Anleger, und das schliesst Privatanleger mit ein, an der Stimmrechtsausübung beteiligen kann, wenn dies gewünscht ist.

Wir wissen, dass wir dafür noch erhebliche regulatorische und logistische Hürden nehmen müssen. Wir sind jedoch überzeugt, dass dies zu einem demokratischeren Kapitalismus führt, bei dem mehr Stimmen Gehör finden. Denn jeder Anleger hat das Recht, gehört zu werden. Wir werden weiterhin Innovationen fördern und mit anderen Marktteilnehmern und Regulierern zusammenarbeiten, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Zu den Aufgaben vieler Unternehmenslenker gehört es, die Aktienanlage des Pensionsvermögens ihrer Mitarbeiter oder des Firmenvermögens zu beaufsichtigen. Ich möchte Sie ermutigen, von Ihrem Vermögensverwalter die Möglichkeit einer stärkeren Teilnahme am Prozess der Stimmrechtsausübung einzufordern.

Das Investment Stewardship Team von BlackRock bleibt das Herzstück unseres treuhänderischen Ansatzes. Viele unserer Kunden ziehen es vor, dass dieses Team auch weiterhin in ihrem Namen auf Portfoliounternehmen einwirkt und bei Generalversammlungen für sie abstimmt. Grundsätzlich sollten Kunden aber zumindest die Möglichkeit haben, sich stärker an Abstimmungen zu beteiligen, wenn sie dies möchten.

 


Wir sind überzeugt, dass sich Unternehmen besser entwickeln, wenn sie sich ihrer Rolle in der Gesellschaft bewusst sind und im Interesse ihrer Mitarbeiter, Kunden, Gemeinschaften und Aktionäre handeln.

Wir glauben jedoch auch, dass wir noch viel zu wenig darüber wissen, wie sich die Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Stakeholdern auf seinen langfristigen Wert auswirken. Deshalb gründen wir ein Zentrum für Stakeholder-Kapitalismus (Center for Stakeholder Capitalism). Es soll ein Forum für Forschung, Dialog und Diskussionen sein und uns helfen, die Beziehungen zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern sowie den Einfluss des Stakeholder-Dialogs auf den Shareholder Value zu untersuchen. In diesem Zentrum werden führende CEOs, Investoren, Politikexperten und Wissenschaftler ihre Erfahrungen und Erkenntnisse teilen und bündeln.

Die konkurrierenden Interessen der vielen unterschiedlichen Stakeholder eines Unternehmens zu berücksichtigen ist nicht einfach. Als CEO von BlackRock weiss ich das aus erster Hand. In der heutigen polarisierten Welt werden wir in unserer Rolle stets mit Stakeholdern zu tun haben, die das eine von uns verlangen, während andere Interessengruppen genau das Gegenteil von uns fordern.

Daher ist es wichtiger denn je, dass sich Ihr Unternehmen und seine Entscheider vom Unternehmenszweck leiten lassen. Wenn Sie diesem treu bleiben und sich auf Ihre langfristige Strategie konzentrieren, während Sie sich auf die neue Welt um uns herum einstellen, werden Sie beständige Renditen für Ihre Aktionäre erwirtschaften und helfen, die transformative Kraft des Kapitalismus für alle zu entfalten.

Mit freundlichen Grüssen,

Larry Fink Signature

Larry Fink
Chairman und Chief Executive Officer

1 Kushel R., Van Nostrand E., Weinberg C., Paul V., Tran Q., Kazdin J., Schwaiger K., Basu D., Segafredo L., Dieterich C., «Seeking outperformance through sustainable insights», BlackRock, Oktober 2021, Seite 8.
2 «Crossing the horizon: North American asset management in the 2020s», McKinsey & Company, Oktober 2021, Seite 34.
3 «Sustainability: The tectonic shift transforming investing», BlackRock, Februar 2020
4 Quellen: Morningstar, Simfund, Broadridge. Die Daten umfassen nachhaltige ETFs und andere Publikumsfonds, institutionelle und alternative Produkte. Definitionen gemäss Drittanbietern. Ohne Integration / Engagement Kennzeichnungen. Daten für Publikumsfonds und ETFs per Oktober 2021. Daten für institutionelle und alternative Produkte per Juni 2021.